Auch im Jahr 2021 rätselten in der ganzen Schweiz über 36’000 Kinder und Jugendliche beim Infomatik-Biber Wettbewerb. Seit zwölf Jahren organisiert ein Team aus Informatikerinnen, Informatikern und Lehrpersonen aus der ganzen Schweiz einen Online-Wettbewerb, der die Grundlagen der Informatik in einer Geschichte verpackt, Schülerinnen und Schülern von Primarschule bis Gymnasium näherbringt.
Im November 2021 haben 479 Schulen aus allen Landesteilen am Informatik-Biber Wettbewerb teilgenommen.
Der Wettbewerb in den Schulen wird von freiwilligen Lehrpersonen organisiert. Die Klassen müssen angemeldet werden und jede Schülerin und jeder Schüler erhält ein persönliches Login für den Online-Wettbewerb. Verschiedene Lehrpersonen betreuen die Teilnehmenden während einer Lektion im Klassenzimmer. Der Wettbewerb ist darauf ausgerichtet, dass alle Schüler und Schülerinnen ohne Vorkenntnisse oder besondere Begabungen teilnehmen können. In der Praxis wird der Wettbewerb teilweise nur in der Begabungsförderung eingesetzt, das ist den koordinierenden Lehrpersonen überlassen.
Die Aufgaben werden in Italienisch, Französisch und in Deutsch angeboten. Der national organisierte Wettbewerb findet jedes Jahr in allen Landesteilen mehr Zuspruch.
So hat sich mit 1281 Teilnehmenden die Teilnahme im Tessin mehr als verdreifacht, in der Romandie ist die Beteiligung im Vergleich zum letzten Jahr um 45% gestiegen. Auch in der Deutschschweiz steigen die Teilnehmerzahlen jedes Jahr beträchtlich an. Waren es 2020 noch knapp 27’000, sind es 2021 es schon über 30’000 Teilnehmende. Die Ausbreitung des Wettbewerbs ist beachtlich: Haben am ersten Informatik-Biber Wettbewerb 69 Schulen teilgenommen, sind es heute fast sechs Mal so viele. Eine Karte zeigt die Orte und die Verteilung der teilnehmenden Schulen.
Abbildung 1: Anzahl Teilnehmende 2010-2021
Die Wettbewerbsaufgaben bestehen aus drei Teilen, der Online-Aufgabe, der Antworterklärung und ein Teil zum informatischen Hintergrund der Aufgabe.
Aufgabenbeispiel aus dem Wettbewerb 2021 (Teil 1: Online-Aufgabe): Dottis*
Für 5./6. Klasse: schwer | 7./8. Klasse: mittel | 9./10. Klasse: leicht Dottis sind Vögel mit Punkten. Neben einem Baum stehen fünf Dottis. Einer nach dem anderen – in der Reihenfolge von links nach rechts – klettern sie in den Baum und ziehen in die leeren Nester. Der mit den vier Punkten ist der erste. Jeder Dotti geht so vor: Wo sind die Dottis ganz am Ende? Setze jeden Dotti in das richtige Nest. *Aufgabe 2021-CA-01b von Sarah Chan (sarah.chan@uwaterloo.ca), Wolfgang Pohl (pohl@bwinf.de), Michael Weigend (mw@creative-informatics.de), Susanne Datzko (susanne.datzko@inf.ethz.ch), Fabian Frei (fabian.frei@inf.ethz.ch) |
Die Kinder können im Online-Wettbewerb die blauen Vögel per Drag-and-drop in die Nester auf dem Baum setzen. Die Aufgabensets sind in allen Landesteilen die gleichen. In der Siblingen (SH) fragen sich die Kinder: «Wo sind die Dottis ganz am Ende?» und in Stabio (TI), nahe der italienischen Grenze, «Dove sono i Dottuccelli alla fine?». Auch in Genf (GE) verteilen die Schüler und Schülerinnen die frechen gepunkteten Vögel gemäss den Regeln auf dem Binären Suchbaum: «Où se trouvent les tache-tés à la fin?».
Die Schüler und Schülerinnen lösen je nach Altersstufe 9 – 15 Aufgaben innerhalb einer Schulstunde. Die Vertiefungsarbeit leisten die betreuenden Lehrpersonen, die nach dem Wettbewerb mit Hilfe der jährlich publizierten Broschüren mit Antworterklärung und informatischem Hintergrund, die Aufgaben mit den Schülern und Schülerinnen nachbesprechen.
Aufgabenbeispiel aus dem Wettbewerb 2021 (Teil 2: Lösung) So kommt man auf die richtige Lösung: |
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Der erste Dotti, der mit 4 Punkten, zieht in das unterste Nest und bleibt dort. | |
Der zweite Dotti hat 2 Punkte. Im untersten Nest sitzt der erste Dotti mit 4 Punkten. Weil 4 mehr als 2 ist, klettert der zweite Dotti nach links weiter und zieht in das erste freie Nest. | |
Der dritte Dotti hat 3 Punkte. Dieser klettert beim untersten Nest, wo der Dotti mit 4 Punkten sitzt, nach links, weil 4 mehr als 3 ist. Im nächsten Nest sitzt der Dotti mit 2 Punkten. Weil 3 mehr als 2 ist, klettert der dritte Dotti nach rechts weiter. Er zieht dann in das nächste freie Nest. Das ist das höchste Nest. | |
Der vierte Dotti hat 1 Punkt. Weil alle anderen Dottis mehr Punkte haben, klettert er bei jedem belegten Nest nach links. Er kommt dann beim Nest ganz links an und zieht dort ein. | |
Der letzte Dotti hat 5 Punkte. Weil kein Dotti mehr Punkte hat, klettert er bei jedem belegten Nest nach rechts. Das tut er einmal beim untersten Nest und zieht somit in das leere Nest ganz rechts. |
Jede Aufgabe hat einen informatischen Hintergrund, wie zum Beispiel Graphentheorie, Binärer Suchbaum oder Optimierung. Die Informatik ist erst nach genauerem Hinschauen sichtbar und kann über den Wettbewerb hinaus im Unterricht als Aufhänger für ein informatisches Konzept sein, das die Lehrperson im neuen Fach Medien und Informatik behandelt.
Aufgabenbeispiel aus dem Wettbewerb 2021 (Teil 3: Dies ist Informatik!) Wenn sich die Dottis nach diesem Verfahren in die Nester setzen, hat das einen interessanten Vorteil: Ein bestimmter Dotti kann dann schnell gefunden werden. Wenn der Dotti, den du suchst, weniger Punkte hat als der, auf den du gerade schaust, musst du im linken Teil des Baums weitersuchen. Ansonsten suchst du rechts weiter. Mit jeder Prüfung eines Vogels kannst du also den Suchbereich auf eine von zwei Hälften einschränken. Deshalb wirst du deinen Dotti schnell finden. Es gibt viele Arten, auf die man Daten organisieren kann; man spricht von verschiedenen Datenstrukturen. Die Datenstruktur in dieser Biberaufgabe ist ein binärer Suchbaum. Das Wort «binär» kommt vom lateinischen Wort «bis» für «zweimal». Denn am Ende eines Astes (dort, wo in der Aufgabe ein Nest sitzt) führen höchstens zwei kleinere Äste weiter. Binäre Suchbäume werden in Computerprogrammen verwendet, wenn viele Daten schnell gefunden werden müssen. Sie sind meistens viel grösser als der kleine Baum in der Aufgabe. Ausserdem gibt es noch einen Unterschied: Der Baum in der Aufgabe hatte eine feste Anzahl von fünf Dottis. Dagegen kann man bei einem binären Suchbaum üblicherweise immer weiter Daten einfügen. Zum Einfügen wird einfach an das Ende eines Astes ein neuer Ast angehängt und so der Baum vergrössert. Datenstrukturen, die sich so verändern können, nennt man dynamische Datenstrukturen. |
Die Aufgaben können auch spielerisch mit oder ohne Computer erweitert werden und das Thema für eine ganze Lektion sein. Die in Geschichten verpackten Aufgaben haben zum Ziel, die Kinder und Jugendlichen unvoreingenommen für die Informatik zu begeistern und sie zu animieren, hinter die Kulissen zu schauen. Der Wettbewerb soll bei ihnen die Neugier wecken, sich über das versierte Benutzen der digitalen Hilfsmittel hinaus zu bewegen und die Grundlagen der Informatik zu erforschen. So dass sie sich von Konsumenten und Anwendern immer mehr zu Ingenieuren und Entwicklern unserer Zukunft werden.
Abbildung 2: Dottis ohne Computer
Der schweizerische Informatikbiber-Wettbewerb ist ein Teil einer weltweiten Bewegung, die zum Ziel hat, die kommende Generation auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Der internationale BEBRAS-Wettbewerb hat seinen Ursprung 2004 in Litauen, wo er von der Professorin Valentina Dagienė ins Leben gerufen wurde. 17 Jahre später nehmen mehr als 3 Millionen Schüler und Schülerinnen in 56 Ländern jährlich an BEBRAS-Wettbewerben teil. Die Aufgabenautoren kommen aus den verschiedensten Ländern der Welt. Im Jahr 2021 waren im Schweizer Wettbewerb unter anderem Aufgaben aus Uruguay, Usbekistan, den Philippinen und aus Canada dabei. Für den deutschen Sprachraum werden diese Aufgaben in Zusammenarbeit mit Experten aus Österreich, Ungarn und Deutschland angepasst. Die Geschichte, die Graphiken, die Texte und der Aufgabentyp werden geschickt aufeinander abgestimmt, so dass die Aufgabe klar, einfach und verständlich ist und gleichzeitig die Teilnehmenden anspricht und beim Lösen kognitiv herausfordert.
Um den Wettbewerb spannend zu gestalten werden nicht nur immer wieder neue Geschichten erfunden, sondern insbesondere die Aufgabentypen stetig weiterentwickelt. Waren es 2010 vor allem textlastige, Multiple-Choice-Aufgaben, sind die graphisch sorgfältig aufbereiteten Aufgaben heute mehrheitlich per Mausklick oder Drag-and-Drop lösbar. Solche Aufgaben sind für die Teilnehmenden weitaus ansprechender und involvieren sie mehr in den Lösungsprozess. Durch die Unterstützung der Graphik werden auch Kinder mit weniger gutem Sprachverständnis angesprochen und können so ebenfalls ihre vielfältigen Fähigkeiten im logischen Denken, in der Abstraktion und im «Computational Thinking» zeigen.
Die 2020 durchgeführte Umfrage mit über 13’000 Teilnehmenden [1] zeigte klar, dass die Aufgaben mit einer interaktiven Lösungsmöglichkeit besonders beliebt und attraktiv waren.
Abbildung 3: Popularität der Aufgaben abhängig vom Aufgabentyp
Eine gemeinsam mit Deutschland durchgeführte Evaluation mit über 450 betreuenden Lehrpersonen bestätigt, dass diese neuen Aufgabenformate sehr geschätzt werden. Über die Hälfte der teilnehmenden Lehrpersonen ist davon überzeugt, dass diese interaktiven Aufgabenformate die Schüler und Schülerinnen nicht nur zum Lösen der Aufgaben motivieren, sondern für die Wettbewerbs-Teilnehmenden auch intuitiv zu verstehen und einfach zu bedienen sind.
Abbildung 4: Umfrageergebnisse (452 befragte Koordinatoren und Koordinatorinnen) im schweizerischen und im deutschen Online-Wettbewerb von 2021. Oben: interaktive Aufgaben, unten: Drag-and-drop Aufgaben.
Besonders beliebt war auch in dieser Evaluation der Aufgabentyp drag-and-drop wie zum Beispiel die Aufgabe mit dem Binären Suchbaum.
Die hohe Qualität der Aufgaben, unter anderem mit gut abgestimmten und modernen Aufgabentypen des Online-Wettbewerbs, kombiniert mit den ausführlichen und zeitnah nach dem Wettbewerb publizierten Broschüren, hat massgeblich zum Erfolg des Informatikbibers in der Schweiz beigetragen.
In den letzten 12 Jahren entwickelte sich der Informatikbiber zu einem bedeutenden nationalen Wettbewerb, der inzwischen jährlich fast 40’000 Kinder und Lehrpersonen erreicht. Er wird in allen Landesteilen gleichzeitig und in gleicher Form durchgeführt. So ist er ein wichtiger Beitrag zu der informatischen, zukunftsgerichteten Bildung in der Schweiz. Das Ziel ist die kommende Generation auf die Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierung vorzubereiten und zu sensibilisieren. Jedoch ist der Fokus des Wettbewerbs nicht auf die gesellschaftlichen Veränderungen und Schwierigkeiten gerichtet. Der Informatik-Biber möchte die Kinder und Jugendlichen ermutigen und befähigen die Zusammenhänge und Funktionsweise zu ergründen, zu erforschen und zu verstehen.
Literatur
[1] Christian Datzko and Susanne Datzko (2021): Aspects of Designing a Successful Bebras Challenge. In 14th International Conference on Informatics in Schools, Nijmegen, The Netherlands.
https://issep2021.science.ru.nl/wp-content/uploads/2021/11/Aspects-of-Designing-a-Successful-Bebras-Challenge-1.pdf
Susanne Datzko ist Pädagogin und Graphikerin. Sie entwickelt und gestaltet seit 2015 gemeinsam mit Informatikern und Spezialisten die Aufgaben für den Schweizer Informatik-Biber-Wettbewerb. 2020 erhielt sie vom Ausbildungs- und Beratungszentrum für Informatikunterricht der ETH Zürich eine Ehrenmedaillie für ihren Beitrag für die Förderung der Informatik in Schweizer Schulen.