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Claudia StuckiIT Systemspezialistin an der ETH ZürichAlter: 38 „Die spannendsten Sehenswürdigkeiten befinden sich meist nicht neben dem Bahnhof. Orientiert euch und geht auch in eine Richtung, die nicht jeder auf seinem Stadtplan angezeigt bekommt.“ Werdegang: Lehre als Informatikerin bei der Swisscom Rapperswil, Brainstore Biel, LLB Bern, Horizon21 Pfäffikon SZ, ETH Zürich. |
Wie sind Sie in die IT-Branche gekommen?
Welches war Ihre erste Begegnung mit IT? Wann, wie und warum haben Sie dann Feuer gefangen?
Meine erste Begegnung mit der IT war ca. 1993 durch einen selbständigen Nachbarn, der einen Plexiglasbetrieb hatte. Seine Pläne zeichnete er damals bereits auf dem Computer.
Als erstes fand ich es sehr spannend, dass er ein Gerät besitzt, das nicht jeder hat. Stabmixer interessieren mich bis heute nicht und ich besitze auch keinen. Einstecken, Startknopfen drücken, läuft. Bei Computern ist mehr dahinter und dieses Mehr wollte ich verstehen und erkunden.
Wie alt waren Sie da?
Ich war damals 12 oder 13 Jahren alt.
Wie alt waren Sie, als es ernst wurde und Sie sich
für eine Berufslehre entscheiden mussten?
15 Jahre
Was für alternative Berufe oder Studienrichtungen haben Sie damals ebenfalls interessiert?
Ich wusste genau, was ich nicht machen möchte. Und das war, das gleiche wie alle anderen. Mich reizte etwas Neues, etwas Interessantes, etwas, das nicht schon jeder zweite vor mir gemacht hatte. Als alternativer Beruf kam das KV zwar für mich in Frage, aber ich habe alles versucht um das zu vermeiden. Informatikerin oder wenn, dann etwas Anderes: Polygrafin war ein Thema.
Welche Infos hatten Sie damals über die Ausbildung und die Möglichkeiten danach?
Nicht sehr viele, da es diese Ausbildung noch nicht lange gab und auch nicht viele Lehrstellen. Ich stürzte mich da in die wilden Fluten und hatte nicht die all zu grosse Ahnung. Der Bewerbungsprozess bei der Swisscom war sehr aufwendig. Während diesem Prozess habe ich viel über die Ausbildung erfahren und auch die Leute kennengelernt, die bereits in dieser Ausbildung waren. Es war damals ein Teil, dass die Lehrlinge der Swisscom ein Mitspracherecht hatten, was die zukünftigen Lehrlinge angeht. Bei diesem Gespräch bemerkte ich die unterschiedlichen Personen, ihre Intelligenz, ihren Humor, ihre Menschlickeit, was mich schlussendlich überzeugt hat, diese Ausbildung zu machen. Für mich sind Menschen ein sehr wichtiger Teil meiner Arbeit und auch meines Lebens. Man verbringt viel Zeit mit ihnen und diese Zeit soll mir einen Mehrwert, ein Lächeln im Gesicht und vor allem ein Umfeld bieten, in dem ich mich frei und wohl fühlen kann.
Was sprach dagegen aus Ihrer damaligen Sicht?
Der schwierige Aufnahmeprozess, die wenigen Lehrstellen, die Ungewissheit, wie es mit der IT überhaupt weiter gehen wird, eigentlich sehr vieles. Auch Freunde, welche sich für eine Lehre im gleichen Kanton in einer klassischen Nische entschieden haben, haben mir oft davon abgeraten. Für mich waren das alles Gründe, diesen Schritt zu wagen.
Wer, welche Personen, welche Umstände haben für Sie damals gegen eine Laufbahn, in der IT zu gesprochen?
Ich bin im Kanton Glarus aufgewachsen und da gab es zu dieser Zeit zwei Lehrstellen. Die langen Zugfahrten an den Arbeitsort und zur Schule waren ein Argument gegen diese Ausbildung. Freunde die wollten, dass ich weiterhin mit ihnen zur Schule gehe und das KV in Glarus mache, im Kanton bleibe, mit ihnen die Schulbank weiter drücke.
Was war letztendlich doch ausschlaggebend für Ihren Entscheid, in die IT zu gehen?
Es war ein Abenteuer, es förderte meine Wissenbegierde für so vieles auf der Welt, was mich interessiert. Kochen und Handarbeiten konnte mir schon damals keine Freude bereiten, ein Roboter, ein neuer Kanton, Zugfahrten, Codes und Zahlen, sie öffneten für mich eine neue Welt, die ich betreten wollte. Auch war ein Gedanke, was ich alles während der Zeit im Zug machen kann. Noch für eine Prüfung lernen, mit Freunden im Zug sitzen und reden, Zeit aktiv und klug nutzen.
Wer, welche Personen, haben Sie damals unterstützt?
Die grösste Unterstützung war damals Philipp Hunold. Er war im letzten Lehrjahr der Informatik-Ausbildung und hatte immer eine schützende Hand über mich. Er konnte mir Wissen vermitteln und mir Systeme so erklären, dass ich es verstand. Mit jeder noch so banalen Frage konnte ich zu ihm kommen. Er ist bis heute einer meiner engsten Freunde, wenn nicht sogar ein grosser Bruder. Damals hat er immer gesagt: Big Brother is watching you.
Auch die anderen Mitlehrlinge und Mitschüler waren während dieser Zeit eine Unterstützung, welche immer wieder Motivation geben hat. Wir hatten eine tolle Zeit nicht nur während der Arbeit, auch in der Freizeit. Mit vielen von ihnen bin ich heute noch befreundet und von einer Mitschülerin sogar Gotti von ihrer Tochter.
Wie verlief Ihr Weg nach der Ausbildung bzw. nach dem Studium?
Welches waren Ihre ersten Schritte nach dem Studium?
Nach der Lehre war ich hin und hergerissen, was ich denn nun machen sollte. Mich zog es immer wieder in eine kreative Richtung, und ich konnte mir die Arbeit als Programmiererin unter keinen Umständen vorstellen für mich. Als erstes fand ich eine Stelle bei der Ideenfabrik Brainstore in Biel. Wie so vieles in meinem Leben war das ein Zufall mit einer glücklichen Fügung. Eine Freundin von mir lebte in Biel und fand ich solle doch nach Biel ziehen, es sei schön da… Zwei Wochen nach diesem Gespräch hatte ich die Stelle bei der Ideenfabrik Brainstore in Biel und bin zu Seraina gezogen, mit einem 50% Pensum in der Informatik und 50% im Bereich der Ideenproduktion.
Für mich war diese Zeit bei Brainstore sehr spannend und lehrreich; ich merkte, welche Arbeiten in der IT mir gefallen, wie meine Kreativität eingesetzt werden kann und dass es möglich ist beides zu verbinden.
Reisen macht mir auch grossen Spass, aber eine Weltreise, wie sie so viele gemacht haben, kam für mich nie in Frage. Drei Wochen Japan, zwei Wochen Afrika stillen jeweils meine Sehnsucht nach der Ferne und zeigen mir wieder, wie toll es hier in der Schweiz ist.
Auch die Kreativität begeistert mich immer noch, jedoch habe ich für mich gelernt, dass ich diesen Teil in meiner Freizeit ausübe und so nicht unter Druck stehe, sei es beim Malen auf einer Leinwand, beim Schachpartien nachspielen oder Fotografieren.
Wo standen Sie in Ihrer Karriere fünf Jahre nach Ende der Ausbildung/Studium?
• Beruflich zufrieden, glücklich, erfolgreich
• Privat zufrieden, glücklich, erfolgreich
Nach 5 Jahren arbeitete ich bei der Firma Horizon21 in Pfäffikon SZ. Nach einer temporären Stelle bei der Lehrer-und Lehrerinnenbildung in Bern merkte ich, dass mir Supportarbeiten Spass machen. In diesem Bereich wollte ich weiter arbeiten, mit Menschen zusammen ein Problem sehen und ihnen eine Lösung bieten, innovativ sein, Software und Hardware so nützen, dass sie Menschen unterstützen und ihnen nicht Steine in den Arbeitsweg legen. Was ich auch tat. Ich war und bin beruflich und privat sehr glücklich und geniesse mein Leben in vollen Zügen. Nicht mal eine Pandemie kann mich davon abbringen, jeden Tag etwas Gutes, Schönes, Lehrreiches für mich selbst zu vollbringen.
Hatten Sie
a) Denselben Lohn wie Ihre männlichen Kollegen?
Das weiss ich nicht; ich hatte selten andere Personen in der gleichen Stellenposition wie ich. Grundsätzlich ist Lohn für mich aber etwas, das jeder aushandeln muss und es eher darauf ankommt, wie viel man ausgibt, als wie viel man bekommt. Ich hatte am Anfang einen sehr tiefen Lohn, jedoch grosse Freude bei der Arbeit und konnte mich so weiter entwickeln. Für mich war das wie eine weitere Ausbildung, um den richtigen Weg für mich zu finden. Daher war das damals auch eine Investition in mich selber.
b) Dieselben Karrierechancen?
Ja.
Wie schätzen Sie die Entscheidung für die IT rückblickend ein?
Welche Ihrer Erwartungen wurden erfüllt?
Eine grundsolide Ausbildung mit immensen Möglichkeiten, einem menschlichen Umfeld, das bereichert und viele Möglichkeiten bietet, die mir immer noch offenstehen, wenn ich das möchte.
Was freut Sie am meisten an ihrer aktuellen beruflichen Situation?
Ich mache Menschen glücklich und erlebe täglich eine sehr grosse Wertschätzung. Ein Umfeld, das mir Freude bereitet und mich auch an einem schlechten Tag auf positive Gedanken bringt. Viele meiner aktuellen und ehemaligen Arbeitskollegen sind Freunde von mir geworden.
Welche Ihrer Erwartungen wurden nicht erfüllt?
Viele Betriebssysteme/Programmiersprachen, denen früher eine grosse Zukunft vorausgesagt wurde, sind vom Markt verschwunden.
Mir wurde auch oft gesagt, wie schwer es als Frau in der IT sei. Kann ich selbst überhaupt nicht behaupten. Ich verstehe mich mit meinen Kollegen sehr gut und sehe uns auf Augenhöhe. Es ist ein Miteinander, so arbeite ich gerne. Viele meiner männlichen IT Kollegen sehen auch den Vorteil von einer Frau in diesem Beruf. Männer sind oft schlechter im Erklären; so gute Metaphern wie ich hat selten jemand.
Würden Sie denselben Entscheid nochmals treffen?
Sofort.
Was bereuen oder kritisieren Sie?
Bereuen tue ich gar nichts. Kritisieren würde ich, das viele Diplome oder Ausbildungen für gewisse Arbeiten vorausgesetzt werden und man nur aufs Papier schaut. Die Menschlichkeit geht heute verloren und viel Potenzial wird daraus nicht genutzt.
Wie wäre/würde Ihre Laufbahn anders verlaufen, wenn Sie ein Mann wären?
Als Mann hätte ich wohl den Wirtschaftsinformatiker gemacht nach meiner Lehre und wäre eher Richtung Projektmanagement gegangen. Heute würde ich jeden Morgen einen Anzug anziehen und die Kravatte richten.
Was würden Sie anders machen, und wie genau, wenn Sie könnten?
Eine zusätzliche Ausbildung im Bereich Cyber Security oder Psychologie. Aber da ich weder auf dem einen noch anderen arbeiten möchte und beides schon in meiner aktuellen Stelle mit dabei ist, würde ich gerne alles so belassen wie es ist.
Auch würde ich eine Fremdsprache erlernen, die nicht jeder kann. Russisch oder Mandarin.
Hätten Sie einen Zauberstab, was würden Sie sich wünschen?
Jetzt gerade wären es 12 Grad mehr auf der Temperaturanzeige, ein paar Sonnentage fürs Gemüt. Und dass die Taube auf meinem Dach umzieht. Das Gegurre geht an die Substanz.
Was raten Sie Ihrer Tochter?
Welche Ratschläge würden Sie ihrer 15-jährigen Tochter mit auf den Weg geben, wenn sie gern in die IT gehen möchte?
Die IT ist sehr vielfältig. Lasse keinen Teil aus, befasse dich mit allen Möglichkeiten, schau dir die Sparten an und rede mit Menschen, die diese Stellen inne haben. Informiere dich, die IT bietet dir sooooo viele verschiedene Perspektiven.
Was ist für Sie in beruflicher Hinsicht wichtig im Leben?
Freiheit, Wertschätzung, Flexibilität, nicht neun Stunden am Tag alles super ernst nehmen, ein Lächeln oder ein Spass gehört dazu. Am Morgen zufrieden mit der Arbeit beginnen und sie am Abend zufrieden abschliessen ist etwas Wichtiges für mich.
Worauf müsste eine junge Frau, die im Jahr 2061 pensioniert wird, bei der Gestaltung ihre Laufbahn achten?
Eine solide Ausbildung ist wichtig, der Grundstein für alles weitere. Sich bewusst werden, was einen erfüllt.
Früh in die Pensionkasse einzahlen macht bestimmt auch Sinn. Mich erfüllen glückliche Menschen, Lachen, Gespräche – spricht in erster Linie nicht für die IT, ist aber ein grosser Teil meiner täglichen Arbeit.
Wie in jedem anderen Job, aktiv bleiben. Hört den Menschen zu, informiert euch stetig, bleibt nie stehen. Die Welt bietet viel und die Möglichkeiten alles kennenzulernen sind vorhanden. Greift zu.