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Digitale Verführung: Ein Interview mit Matthias Wesselmann

Im 21. Jahrhundert lässt die Digitalisierung kein Feld unberührt. Anfangs skeptisch beäugt, erkennt inzwischen eine Vielzahl an Unternehmen den Nutzen und die damit verbundenen Vorteile der Digitalisierung. Big Data, Cloud-Lösungen, Augmented und Virtual Reality haben in den letzten Jahren Fuß gefasst und machen den Weg frei für weitere Trends, die die Digitalisierung weiter vorantreiben. Unternehmen versuchen, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten. Eines der bekanntesten Schlagworte hierbei ist das Information Supply Chain Management. Doch wie steht es tatsächlich um die Leistungsfähigkeit der Unternehmen für die digitale Zukunft? Welchen Herausforderungen sich die verschiedenen Märkte im digitalen Zeitalter stellen müssen, welche Rolle das Information Supply Chain Management spielt und wie die EDEN Studie geboren wurde, erläutert Temel Kahyaoglu, Vorstand von The Group of Analysts. 

 

Was bedeutet der digitale Wandel in der Wirtschaft für Sie persönlich? 

Dies ist eine wunderbare Möglichkeit für jeden, Dinge infrage zu stellen. Businesspotentiale blieben in der Vergangenheit oft unerforscht beziehungsweise dedizierten Personenkreisen vorbehalten. Der digitale Wandel bringt viele neue Fragen auf den Tisch und erweitert den Personenkreis der Befragten. Das halte ich persönlich für eine sehr gute Sache.

Sie arbeiten seit Jahren intensiv mit dem Demand- und Supply-Markt zusammen. Was sind Ihrer Erfahrung nach die Herausforderungen, denen sich Unternehmen momentan stellen müssen?

Ich denke, die größten Herausforderungen betreffen zurzeit den Supply-Markt. Die Innovationszyklen verkürzen sich, die Lizenzmodelle wandeln sich, die Kollaborationsanforderungen sind immens, und der Anspruch und das Bedürfnis nach prozessualer Beratung sind inhärent in Softwareprojekten manifestiert. Die Unternehmen und die damit handelnden Menschen sind noch die gleichen wie vor zehn Jahren. Der Wandel in den Köpfen ist noch nicht überall und auf allen Ebenen vollzogen. Das ist auch ein Problem, welches als Herausforderung dem Demand-Markt zu schaffen macht. Heute suchen die Demand-Unternehmen weniger nach Funktionen, denn nach Menschen mit dem richtigen Kompass, um die Businessherausforderungen des Demand-Marktes zu verstehen und ihn zum gelobten Land zu führen. Für uns als Analysten ist gut sichtbar, dass diese zwei Probleme eng miteinander in Korrelation stehen und Lösungen nur möglich sind, wenn beide Ebenen betrachtet werden. Damit ist die Verantwortung der handelnden Personen im Demand-Markt gestiegen, die aber immer noch nach veralteten Mustern agieren.

Als Chefanalyst haben Sie Überblick über den ganzen Markt. Welche digitalen Trends haben das meiste Zukunftspotential? 

Seit vielen Jahren sind die zwei Hemisphären von klassischen IT-Systemen und dienstleistungsorientierten Marketingapplikationen voneinander getrennt. Sowohl aus Sicht der Supply-Märkte als auch aus der der beschaffenden Personen im Demand. Dies hat sich nun grundlegend geändert. Das ist eine Tatsache. Folglich haben für mich die Unternehmen das größte Potential, die den Spirit der „App-basierten“, „Enduser-affinen“ und „Ergebnis-orientierten“ Prozesstools mit der Komplexität der klassischen IT-Systeme, den „Big-Data-orientierten“, „Kontext-affinen“ und „integrationsfähigen“ Datenbanksystemen kombinieren können und dabei als Unternehmen so fancy wie Apple, Google & Co. daherkommen. Also Unternehmen, die alle drei Ebenen perfekt beherrschen. Im Moment herrscht ein großes Durcheinander am Markt. Denn alle Unternehmen haben eine singuläre Historie in einer der drei Ebenen. Der Mensch tendiert aber leider eben nicht automatisch dazu, die Ebenen anzugehen, die er nicht beherrscht oder sogar argumentativ bekämpft hat. Aber es gibt sie da draußen – die Visionäre.

Im Jahr 2008 wurde das Information Supply Chain Management geboren und ist seitdem ein essenzieller Teil der Wirtschaft. Worauf basiert Ihrer Meinung nach der durchschlagende Erfolg des ISCM? 

Der Begriff ist aus einer Bierlaune heraus entstanden, als ich 2007 meinen Freund, den Logistikfachmann der damaligen Ratiopharm gefragt habe, was er eigentlich den ganzen Tag mache. Die Lehre des Supply Chain Managements war ein ideales Modell für mich, um die steigende Anzahl von Best of Breed-Softwareherstellern in eine Art Landkarte zu pressen, die auch für Nicht-ITler nachvollziehbar war. Mit dem Apple-i – mit „i“ für Information statt Internet – war der Begriff Information Supply Chain dann geboren. Ehrlich gesagt, konnte ich damals nicht abschätzen, dass der holistische Ansatz zehn Jahre später die Basis aller heutigen IT-Entscheidungen und -Projekte darstellen würde. Ich würde ja gerne romantisch verklärt sagen, dass ich das irgendwie geahnt hätte, aber das habe ich nicht. Stellen Sie sich vor, Sie wollen die Welt erobern, breiten eine große leere Karte vor sich aus, auf der nur die Ozeane zu sehen sind. Die wirken dann ganz schön ambitioniert, diese großen weißen Flächen. Wenn Sie aber drei Kontinente einzeichnen mit den ersten größeren Landflächen und damit eine Basis legen, dann erscheint die Aufgabe zwar immer noch immens, aber darstellbar. Das ist das Prinzip des ISCM. Strukturierend, aber nicht eingrenzend. Denn die Landesgrenzen der einzelnen noch zu definierenden Länder können Sie frei zeichnen. Und wenn Sie ganz mutig sind, können Sie bestehende Landflächen verändern.

Welcher Gedanke steht hinter der EDEN Studie und wie wurde dieser ins Leben gerufen? 

EDEN ist aus dem Verständnis heraus entstanden, dass der Supply-Markt nicht alleine dafür verantwortlich ist, den digitalen Wandel herbeizuführen. Der Demand-Markt muss in allen IT-Fragen emanzipiert werden. Nur dann kann der Wandel gelingen. Aber um diese Emanzipation zu provozieren, braucht es Erkenntnis. Deshalb haben wir uns entschlossen, den Demand-Markt einer Observation zu unterziehen. Mit dem Begriff der Erkenntnis war dann auch schnell die Metapher zum Garten Eden geboren. Um eine einvernehmliche Basis zu bestimmen, haben wir einen Idealwert für das bereits vollständig digitalisierte und erfolgreiche Unternehmen festgelegt. Das ist ein messbarer Wert von 2.500 Punkten. Unsere Norm der digitalen Entität. So kann jeder mit dem EDEN Fragenkatalog seinen eigenen Wert ermitteln und schauen, wie weit er noch vom Ideal oder der Norm entfernt ist, und damit je nach Ergebnis die weißen Flächen auf seiner Landkarte entziffern. Das hilft ungemein. Und da unser Blick nicht singulär auf den DACH-Markt, sondern auf Europa gerichtet ist, steht das erste E für Europa. EDEN selbst steht für European Digital Entity Norm.

Welches sind die Erkenntnisse der Studie, die Sie am meisten überrascht haben? 

Wir haben zusammen mit unserem wissenschaftlichen Partner techconsult in der Vorab-Studie 300 Unternehmen befragt, um die Basis für unsere EDEN Norm zu identifizieren. Im Verhältnis der Branchen und Länder zueinander, muss ich gestehen, haben wir keine großen Überraschungen erlebt. Allerdings ein wenig schockiert war ich über die sehr große Anzahl der bereits umgesetzten IT-Projekte und eingeführten Systeme, die einer unheimlich niedrigen Anzahl von optimierten Prozessen, neuen Geschäftsmodellen oder gar einem nachweisbaren ROI gegenüberstanden. Mit anderen Worten: Es wurde in der Vergangenheit viel investiert, aber wenig erreicht.

Was bedeuten die Ergebnisse für die europäische Wirtschaft? 

Das Delta ist damit ambitioniert. Denn nicht immer ist das Auffüllen eines fehlenden Puzzlestücks gefordert, sondern das Einsetzen einer neuen Energie, die auch bestehende Systeme, die möglicherweise funktional gut sind, in die Dimension der Rentabilität bringt. Das stellt die Entscheider sehr schnell vor die Frage: „Keep or replace?“ Aber diese Frage lässt sich in der Regel eben nicht funktional beantworten. Und die Berater und Analysten im Markt müssen endlich damit aufhören, die Kalorien von Äpfeln und Birnen zu zählen. Das ist sicher auch eine kulturelle Frage. Wir sehen viele Innovatoren zum Beispiel in den Niederlanden. Obschon die Möglichkeiten beispielsweise in Frankreich, Deutschland und im UK quantitativ deutlich größer wären. Aber wir sehen auch, dass es eben Bedeutung für Europa und nicht singulär für den DACH-Raum hat.

Wie kann die Studie Unternehmen dabei helfen, ihr verstecktes Potential auszuschöpfen?

Wir können, ehrlich gesagt, nicht allzu viel beitragen. Aber wir können den Anfang machen. Die Studie hilft, das Delta zu identifizieren, die Zusammenhänge zu verstehen, den Status quo zu bewerten und eine Basis an Antworten zu liefern, die in einem größeren Gremium mit geringeren Fachkenntnissen besprochen und reflektiert werden kann. Natürlich freuen wir uns, wenn unsere TGOA-Analysten bei dieser Anamnese und den daraus resultierenden Gesprächen Katalysator, Mediator, Experte und kreativer Inputgeber zugleich sein dürfen. Aber natürlich können sie dies auch mit anderen Marktteilnehmern tun. Wir wollen schlicht helfen, den Anfang zu markieren.

Der Fokus der ersten EDEN Studie liegt auf Europa. Gibt es Pläne, den Digitalisierungsgrad von Unternehmen weltweit zu ermitteln?

Wer mich persönlich kennt, kennt die Antwort bereits. Es ist allerdings klar, dass bei all unseren Anamnesen der Mensch im Vordergrund steht. Als Kulturwandler kann ich aus persönlicher Überzeugung sagen, dass eine Ausweitung in die USA und nach Asien nur funktionieren kann, wenn wir wissenschaftliche Partner in den Geografien vor Ort finden. Das ist sicher ein Ziel ab 2019, aber nicht für das Jahr 2018.

Was sind die Zukunftsvisionen der Group of Analysts?

Wir glauben aus tiefster innerer Überzeugung daran, dass nur viele Menschen zusammen etwas bewirken können. Wir drücken das bereits in unserem Firmennamen aus. Unsere Vision ist eine große Gruppe von Analysten, die ein weltweites Netz von Wissensträgern darstellen und gebündelt ihr Know-how und ihre Erfahrungen in den Topf TGOA geben, um selbst auch von den Erkenntnissen der Kollegen zu profitieren. Wir bieten mit unserem Modell Cosmos, das für „cooperation on specialized methodologies“ steht, die Plattform für diesen kollaborativen Verbund. Es sind bereits einige Cosmonauten im Sinne der TGOA unterwegs, und wir freuen uns auf die nächsten Monate und Jahre, um die Idee über den Tipping Point zu bringen.

Weitere Informationen: edenstudy.com

Temel Kahyaoglu
Temel Kahyaoglu ist Vorstand von The Group of Analysts AG und Chief Analyst für das Information Supply Chain Management.

Matthias Wesselmann
Matthias Wesselmann ist Vorstand der Agenturgruppe fischerAppelt AG und Inhaber der Marketing-Technologieagentur ENGN. Zuvor war er Director Group Marketing & Communications bei Vitra und von 2007 bis 2011 als Geschäftsführer für fischerAppelt in Stuttgart tätig. Davor arbeitete er als Berater bei Mummert Communications. Wesselmann hat Angewandte Medienwissenschaft studiert und ist Dozent an der Quadriga Hochschule in Berlin.

 

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