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Interview: Studiengang CAS „Informatik und Informatikdidaktik in der Weiterbildung”

Das Fach „Medien und Informatik“ im Lehrplan 21 ermöglicht der Informatik den Einzug in das Schweizer Bildungssystem. Die Realisierung dieser Chance in der Praxis erweist sich als äusserst schwierig. So haben zum Beispiel mehrere pädagogische Hochschulen wenige ausgebildete Informatiker und Informatikerinnen, an einigen gibt es keine einzige Fachperson. Die Folge ist, dass der Informatikanteil in der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen dem eigentlich notwendigen Anteil nicht entspricht. Darüber hinaus reduziert sich der Informatikunterricht auf die Darstellung von Fakten. Diese faktologische Vermittlung wird schliesslich ergänzt durch Berührungen informatischer Konzepte lediglich an der Oberfläche.

Unter dem Motto „Bilden wir die Erfinderinnen und Gestalter der Informationstechnologie, nicht nur ihre Konsumenten!“ bietet die Pädagogische Hochschule Graubünden (PHGR) in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich den ersten Studiengang CAS „Informatik und Informatikdidaktik für die Lehrpersonen der obligatorischen Schule an. Die Lücke in der Weiterbildung zu schliessen, die Vermittlung fachspezifischer didaktischer Kompetenzen und die Verankerung der Informatik als MINT-Fach in der Schule bilden das angestrebte Ziel.

Der CAS-Studiengang „Informatik und Informatikdidaktik“ startet in diesem Schuljahr! Wir sprechen mit Dr. Gian-Paolo Curcio, Rektor der PH Graubünden, und mit dem Leiter dieses Studienganges Dr. Dennis Komm. Einige Studierende berichten über ihre Eindrücke bezüglich dieses neuen Studienganges, über ihre Motivation und Erwartungen.

Dr. Gian-Paolo Curcio, Rektor der Pädagogischen Hochschule Graubünden

I

Interview mit Dr. Gian-Paolo Curcio, Rektor der Pädagogischen Hochschule Graubünden (PHGR)

Elke Bülow: Was sind die Zielsetzungen und Erwartungen dieses CAS-Studienganges?

Dr. Gian-Paolo Curcio, Rektor der PHGR: In fast allen Berufen und Tätigkeitsbereichen der Zukunft werden grundlegende Informatikkompetenzen immer selbstverständlicher zum Anwendungsprofil gehören. Mit dem Lehrplan 21 und dem Fach Medien und Informatik wird auf diese Entwicklung reagiert. Dementsprechend wird die Informatik in allen drei Zyklen der Volksschule unterrichtet.

Im Studiengang CAS «Informatik und Informatikdidaktik», der als Kooperation zwischen der PH Graubünden und der ETH Zürich angeboten wird, werden die Lehrplan-21-Kompetenzen der Informatik im Detail thematisiert und ihre Vermittlung ins Zentrum gestellt. Unsere Lehrgänge bestehen aus drei bzw. vier Modulen, in denen zudem auch praktische Erfahrungen gesammelt werden. Der CAS befähigt die Absolventinnen und Absolventen zu einem konstruktiven, fächerintegrierten sowie stufengerechten Informatikunterricht in allen drei Zyklen der Volksschule.

Elke Bülow: Warum kombiniert man in dieser Weiterbildung die Informatik nicht mit den Medien, wie es andere deutschschweizer Kantone tun?

Dr. Gian-Paolo Curcio: Für die Trennung sprechen drei Gründe: Erstens kann das Schulfach Medien und Informatik als Integrationsfach bezeichnet werden, welches aus zwei Disziplinen besteht, den Medienwissenschaften und den Informatikwissenschaften. Die Medienbildung verorten wir an der PHGR als Domäne zu den Erziehungswissenschaften, die Informatik als Grundfertigkeit der Ingenieurwissenschaften zur Mathematik. Zweitens erfordert ein fundierter Unterricht mit stufengerechtem, didaktischem Aufbau von den Lehrpersonen ein hohes Mass an fachlichen und fachdidaktischen Kompetenzen. Die jeweilige Fachwissenschaft mit der dazugehörigen Fachdidaktik steht in einem interdependenten Verhältnis zueinander. Das Verstehen und Erschliessen der fachwissenschaftlichen Inhalte stellt dabei nach unserem Dafürhalten eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung dar. Um die erforderliche inhaltliche Tiefe erreichen zu können, benötigt es entsprechende zeitliche Ressourcen sowie eine inhaltliche Fokussierung. Drittens haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele Lehrpersonen sich entweder für die Medienbildung oder die Informatik interessieren und sich in einem dieser beiden Bereiche weiterbilden möchten. Dementsprechend bieten wir auch Zertifikatslehrgänge an, welche sich spezifischer auf den Bereich Medienbildung ausrichten.

Wie eingangs erwähnt, leistet das Schulfach Medien und Informatik im Rahmen der digitalen Transformation einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Damit die Lehrerinnen und Lehrer ihre Aufgabe optimal wahrnehmen können, wird der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen höchste Beachtung geschenkt.

Elke Bülow: Welchen Stellenwert hat die Kooperation zwischen der ETH Zürich und der PH Graubünden?

Dr. Gian-Paolo Curcio: Die PH Graubünden ist mittlerweile seit elf Jahren erfolgreich im Bereich Programmieren im Unterricht, in MINT-Förderungsprojekten sowie zusammen mit der ETH Zürich in der Weiterbildung tätig. Erfolgreich sind wir darum, weil Praxis und Theorie sich auf Augenhöhe begegnen und durch die Lehre, Forschung und Entwicklung an der PH Graubünden optimal unterstützt werden.

 

II

Interview mit Teilnehmenden des ersten Studienganges CAS „Informatik und Informatikdidaktik“ an der PHGR in Kooperation mit der ETH Zürich

Elke Bülow: Sie haben sich für den Zertifikatslehrgang für Informatik und Informatikdidaktik entschieden. Was hat Sie motiviert und was für Erwartungen hatten Sie?

Norbert Oswald: Als ich vor mehr als 24 Jahren meine Ausbildung zum Sekundarlehrer begonnen habe, war Informatik in der Lehrerausbildung noch kein Thema. In der Praxis haben wir damals den Schülerinnen und Schülern hauptsächlich Anwenderwissen zu Office- oder Videoschnittprogrammen vermittelt und Tastaturschreiben unterrichtet. Im Laufe der Zeit habe ich dann begonnen, Informatik mit Fokus aufs Programmieren als Wahlfach zu unterrichten.

Aber auch das wird natürlich der Wissenschaft Informatik nicht gerecht und deckt nur einen Aspekt dieses vielseitigen und interessanten Faches ab. Mit dem neuen Lehrplan 21 ist die Informatik mit dem Fach „Medien und Informatik“ endlich in die Stundentafel integriert worden. Und somit sind auch die Anforderungen an die SuS und Lehrpersonen stark gestiegen. Neben meinem persönlichen Interesse und meiner Neugier an dem Fach hat mich auch das dazu bewogen, diese zusätzliche Ausbildung zu beginnen.

Anja Bosshard: Verschiedene! Einmal wird dieses Jahr der Lehrplan 21 im Kanton Aargau eingeführt. Für mich war es ein MUSS, eine Informatikweiterbildung zu finden. Da ich an den Universitäten Zürich, Johns Hopkins, Baltimore, USA, und Cambridge, England, studiert hatte, fand ich es ein absolutes Geschenk, dass ich „ohne Voraussetzungen“ eine Weiterbildung in Informatik mit dem Gütesiegel der ETH besuchen darf. Ich war und bin hellbegeistert, natürlich auch gefordert. Meine geistige Heimat ist in den Literaturwissenschaften, der Linguistik und Philosophie verwurzelt.

Tamara Pirker: Ich unterrichte seit mittlerweile 12 Jahren auf der Sekundarstufe 1 Mathematik, Natur und Technik sowie Medien und Informatik. Ich habe mich Anfang 2020 dazu entschieden, eine Weiterbildung im Bereich Informatik zu machen, die nicht einfach nur einen Abend dauert, sondern die mir mehr Inhalte bietet. Mein nächster Schritt war, dass ich das Weiterbildungsangebot verschiedener pädagogischer Hochschulen angeschaut habe. Der Grund, wieso ich dann am CAS Informatik und Informatikdidaktik der PH Graubünden / ETH Zürich hängen geblieben bin, ist, dass mich der Praxisbezug und die Modulbeschreibungen überzeugt haben. Es versprach vielfältige und sehr praxisnahe Inhalte, aber trotzdem nicht zu viele Themen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass wir einen Einblick in die verschiedenen Bereiche der Informatik und Didaktik erhalten, ohne dass das Programm überladen ist, aber wir dennoch viel Wissenswertes vermittelt bekommen.

Dies waren bzw. sind auch meine Erwartungen. Ich möchte gerne mein Hintergrundwissen zur Informatik und Informatikdidaktik erweitern und die gelernten Inhalte in meinem Unterricht umsetzen bzw. meinen Unterricht aufgrund der hinzugewonnenen Kompetenzen verändern.

Elke Bülow: Sind Sie mit dem bisherigen Verlauf und dem bislang Erlernten zufrieden? Was hat Ihnen am meisten gefallen? Was würden Sie sich wünschen?

Norbert Oswald: Mit dem bisherigen Verlauf bin ich sehr zufrieden. Vor allem das Entwickeln von Lösungsstrategien und der geschichtliche Aspekt sind sehr interessant. Mir war nicht bewusst, dass die Informatik so eng mit der kulturellen Entwicklung der Menschheit verbunden ist und nicht erst mit der Entwicklung der ersten Computer entstanden ist.

Die Prinzipien der Informatik ohne Computer, quasi „offline“ zu vermitteln, finde ich einen interessanten und auch reizvollen Ansatz. Er verbessert das Verständnis dafür, wie die Methoden genau funktionieren. Trotzdem wünschte ich mir eine stärkere Einbindung des Computers, um diese Prinzipien zu erproben. Denn gerade die praktische Arbeit ist für die SuS meiner Ansicht nach motivierender, wenn man die Lernenden in die Lage versetzt, dieselben Probleme auch mit dem Computer lösen zu können.

Tamara Pirker: Ich bin mit dem bisherigen Verlauf sehr zufrieden. Die Dozierenden nehmen sich viel Zeit für uns, um unsere Fragen zu beantworten und unsere Anliegen in ihren Unterricht aufzunehmen. Sie kümmern sich sehr um uns und dass unsere Wünsche in ihrem Modul Platz haben.

Ich denke, dadurch, dass wir eine kleine Gruppe sind, ist es auch viel „familiärer“, und wir können sowohl vom Wissen sowie von den Erfahrungen der Dozierenden als auch der anderen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer profitieren.

Ich wünsche mir weiterhin solch motivierte Dozierende, die sich um unsere Anliegen und Fragen kümmern, wie es bisher der Fall war. Zudem ist mir wichtig, dass der Bezug zum Unterricht vorhanden ist und ich das Gelernte in meinen Alltag einbeziehen kann.

Elke Bülow: Haben Sie schon Erfahrungen machen können mit der Anwendung des Erlernten? Können Sie darüber berichten?

Norbert Oswald: Gerade im Programmieren sind Fehlvorstellungen von SuS interessant. Häufig versuchen die SuS mathematische Prinzipien auf die Informatik zu übertragen, was zu Problemen führen kann. So ist zum Beispiel das Zeichen „=“ in der Programmiersprache Python ein Zuweisungsbefehl und ist nicht gleichbedeutend mit dem Gleichheitszeichen in der Mathematik.

Das CAS hat mich darauf sensibilisiert, auf solche Fehlvorstellungen der SuS zu achten, sie sichtbar zu machen und mit ihnen korrekte Vorstellungen zu entwickeln.

Chantal Birchler: Ich habe schon einige Erfahrungen mit der Anwendung von TigerJython und den „Biberkarten“ machen können. Gleich nach den Herbstferien habe ich mit dem Programmieren mit TigerJython mit vier Klassen begonnen. Dabei handelt es sich um zwei 1. Sekundarklassen, eine 1. Realklasse und die 1. Talentklasse, welche eine gemischte Klasse mit Sek- und Realniveau ist. Die SuS haben mit grosser Freude programmiert und auch zuhause an der Programmierung gearbeitet. Es sind sehr viele kreative Figuren entstanden. Ich konnte sehr gut binnendifferenzieren. Somit bekamen alle SuS ein ansprechendes bis sehr gutes Ergebnis. Ich habe dafür vier Lektionen im Unterricht eingesetzt und zwei Lektionen waren als Arbeitsauftrag als Hausaufgaben zu erledigen. Teilweise programmieren die SuS jetzt noch mit TigerJython zuhause und zeigen mir dann im Unterricht ihre Ergebnisse. Die Biberkarten habe ich teilweise für Lektionseinstiege benutzt, um unterschiedliche Lösungsstrategien zu erarbeiten.

Tamara Pirker:
Bisher habe ich noch nichts 1:1 umgesetzt. Ich nehme das Erlernte mit in meine Unterrichtsplanung und überdenke damit meine Gestaltung des Unterrichtes.

Elke Bülow: Was würden Sie den Lehrpersonen sagen, die mit dem Gedanken spielen, das CAS zu erwerben?

Norbert Oswald: Ich kann es nur empfehlen. Es lohnt sich, sich mit der vielseitigen und spannenden Wissenschaft auseinanderzusetzen. Allzu oft bleiben wir im Informatikunterricht nur an der Oberfläche haften, indem wir „nur“ Anwenderwissen vermitteln und wichtige Konzepte und Prinzipien der Informatik unerwähnt lassen. Da die Informatik aber in unserem Alltag eine immer wichtigere Rolle übernimmt und immer bedeutsamer wird, ist es unerlässlich, dass wir Lehrpersonen diesen Ball aufnehmen, uns weiterbilden und so den SuS bedeutsames Wissen und Kompetenzen vermitteln können.

Das CAS vermittelt tieferes Verständnis für die Grundlagen dieser sich schnell entwickelnden Wissenschaft und bietet das Rüstzeug für abwechslungsreichen und kompetenten Unterricht.

Anja Bosshard: In diesem ersten CAS haben sich meiner Meinung nach herausragend sympathische und wissbegierige Phil-2-Lehrpersönlichkeiten gefunden. (Ich bin da Aussenseiterin.) Wegen Corona hatte man leider nicht so sehr die Gelegenheit einander besser kennen zu lernen und ein Netzwerk aufzubauen.

Chantal Birchler: Das CAS bringt viel Hintergrundwissen im Bereich Informatik und verhilft zu vernetztem Denken. Es ist eine Bereicherung für die Teilnehmenden und erweitert die Kompetenzen im Unterrichten des Faches Informatik.

Tamara Pirker: Ich würde der Lehrperson sagen, dass das CAS Informatik und Informatikdidaktik eine gute Wahl ist, wenn sie ein breiteres Wissen in diesem Bereich erlangen möchte und den Austausch mit anderen Lehrpersonen zu Informatikthemen sucht. Die bisherigen Inhalte sind sehr gut aufgebaut und es wird immer darauf geachtet, dass wir Studierenden selbst Aufgaben lösen und somit das Gehörte direkt umsetzen können. Wir werden gefordert, aber auch sehr gut gefördert. Der zeitliche Aufwand passt für mich persönlich zu den geforderten ECTS. Ich würde mich wieder für diesen CAS entscheiden und bin schon gespannt auf die noch folgenden Module.

 

III

Interview mit Dr. Dennis Komm, Leiter des CAS-Studienganges „Informatik und Informatikdidaktik“ an der PHGR in Kooperation mit der ETH Zürich

Elke Bülow: Wie beurteilen Sie den Erfolg des bereits durchgeführten Teils? Entsprechen die Erfahrungen, die Sie bis heute gemacht haben, Ihren Erwartungen?

Dr. Dennis Komm, Leiter des CAS-Studienganges „Informatik und Informatikdidaktik“ an der PHGR: Der anfängliche Kenntnisstand der Teilnehmenden war sehr unterschiedlich. Zwar haben wir mit einer heterogenen Gruppe gerechnet, aber ich muss gestehen, dass die Unterschiede etwas grösser waren, als ich anfänglich angenommen hatte. Wir haben teilweise unterschiedliche Gruppen innerhalb der Module gebildet, um Lücken zu schliessen. Die Fortschritte, die einige Teilnehmende gemacht haben, beeindrucken mich sehr. Mindestens genauso sehr beeindrucken mich allerdings die Teilnehmenden selber. Es ist wirklich sehr bereichernd, mit solchen Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten und die Atmosphäre in den Modulen übertrifft meine Erwartungen um ein Vielfaches.

Elke Bülow: Wie sehen Sie die Zukunft des Programms?

Dr. Dennis Komm: Wir werden für eine zweite Durchführung sicherlich einige kleinere Änderungen vornehmen, aber sind mit der bereits durchgeführten Hälfte sehr zufrieden. Ich bin überzeugt davon, dass wir am Ende eine ähnliche Bilanz ziehen werden. Das Programm wird sicherlich in einer sehr ähnlichen Form wieder angeboten – wir freuen uns bereits jetzt sehr darauf!

Anmerkung der Redaktion: Die Interviews wurden digital geführt. Aus redaktionellen Gründen erfuhren die Beiträge der Teilnehmenden an dem CAS-Studiengang „Informatik und Informatikdidaktik“ eine Kürzung. Wir bedanken uns bei allen Interviewpartnern für ihr Engagement!

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The Swiss Informatics Society SI is the association of Informatics professionals in Switzerland.

Die Schweizer Informatik Gesellschaft SI ist der Verband der Informatikfachleute in der Schweiz.

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La Società Svizzera di Informatica SI è l’associazione dei professionisti dell’informatica in Svizzera.