Seit kurzer Zeit ist das Fach Informatik in den Schulalltag integriert. Die Vermittlung der informatischen Denkart als Aufgabe dieses neuen Schulfaches ist das Ziel des Ausbildungs- und Beratungszentrums der ETH Zürich, ABZ. Im Mittelpunkt des Unterrichts steht die Entwicklung der relevanten Informatikkonzepte. Dabei sollen die Lernenden die von Menschen gestaltete technische Welt verstehen, steuern und mitgestalten lernen. Sie werden informatisch handlungsfähig, die konstruktive Denkweise dieser technischen Disziplin sollen sie verinnerlichen und möglichst auf andere technische, aber auch nichttechnische Fachgebiete übertragen. So fördert der Informatikunterricht zum Beispiel im sprachlichen Bereich die Fähigkeit des Kommunizierens oder im mathematischen die Abstraktionsfähigkeit und das problemlösende Denken. Ideal wäre es, wenn ein derartiger Informatikunterricht begeistert für informatische und technische Berufe, in jedem Fall bereitet er auf den digitalen Alltag vor!
Somit ist es nicht überraschend, dass die neue Lehrmittelreihe „einfach INFORMATIK“, entwickelt am ABZ in Zusammenarbeit mit der PHGR und praktizierenden Lehrpersonen, den Worlddidac Award 2020 erhalten hat. Mit dieser Lehrmittelreihe steht der Schweiz zum ersten Mal ein Lehrmittel für Informatik zur Verfügung, das sich nicht an der Oberfläche der Nutzung digitaler Technologie bewegt, sondern das die Kreativität der Kinder und Jugendlichen fördert und sie das Gestalten und Erfinden lehrt.
Elke Bülow spricht mit Regula Lacher und Jacqueline Staub, die als Autorinnen und Programmier- und Lernumgebung-sentwicklerinnen wesentlich zu dem Erfolg dieser Lehrbuchreihe beigetragen haben.
Bei der diesjährigen Worlddidac Evaluation wurde „einfach INFORMATIK 5/6“ als pädagogisch wertvoll und innovativ eingeschätzt. Herzlichen Glückwunsch zum renommierten Worlddidac Award 2020!
INTERVIEW
Elke Bülow: Die Lehrbuchreihe für die Primarstufe 5/6 für die Lernenden und Lehrenden trägt den Titel „einfach INFORMATIK“. Warum habt Ihr diesen Titel gewählt?
Regula Lacher: Der Titel sollte die Ängste, die oft verbunden sind mit der Einführung eines neuen Faches, mildern. Die Lehrmittel zeigen auf, wie man verständlich, anschaulich und mit grosser Freude am Lernen und Lehren die informatische Denkweise in die Schule bringen kann.
Jacqueline Staub: Informatik wurde erst kürzlich im Rahmen der Schulreform Lehrplan 21 ins Schweizer Schulsystem eingeführt. Folglich stehen momentan viele Lehrpersonen vor der herausfordernden Aufgabe ein Fach zu unterrichten, welches sie selbst nie als Teil ihrer eigenen Schulausbildung besucht haben. Diese Situation bietet Nährboden für Ängste und Sorgen, die mit Fachbegriffen wie „Programmieren“ oder „Kryptografie“ einhergehen können. In der Lehrmittelreihe „einfach INFORMATIK“ finden Lehrpersonen eine Auswahl klassischer Informatik-Themen, die allerdings ansprechend und altersgerecht aufbereitet sind und neugierig machen auf mehr. Die Informatik wird authentisch dargestellt, bleibt allerdings immer zugänglich und verständlich für die Zielstufe. Der Inhalt ist also nicht mehr und nicht weniger als einfach Informatik, didaktisch sorgfältig aufbereitet.
Bülow: Informatische Themen sind jetzt obligatorisch im Lehrplan der Schule verankert. Euer Ziel ist es, zum Prozess der Einführung beizutragen. Was zeichnet Eure Lehrmittel im Vergleich mit anderen aus?
Staub: Mit der Einführung der Informatik ins Schulsystem erhalten Kinder und Jugendliche die Gelegenheit, die von Menschenhand erschaffene Welt der Technologie im Detail zu studieren und sich aktiv damit zu befassen. Ein Problem besteht darin, dass die Informatik eine sehr schnelle Entwicklung vollzieht und jedes Jahr neue und noch ausgeklügeltere Technologien entstehen. Wir sind der Überzeugung, dass ein nachhaltiger Lerneffekt mitunter dadurch erreicht werden kann, dass Lernende nicht nur die fertigen Produkte der Wissenschaft auswendig lernen, sondern deren Entwicklungsprozess von Grund auf selbst durchmachen. Unsere Lehrmittel beginnen mit den Wurzeln der Informatik (teilweise mehrere Millennien vor der heutigen Zeit) und ermöglichen es den Lernenden dann dieselben Erkenntnisse zu gewinnen wie die Experten der damaligen Zeit und ihre Vorgehensweisen kontinuierlich zu verbessern – sie befinden sich auf den Spuren der Entwicklung der informatischen Denkweise selbst. Etwas, wodurch sich die Lehrmittelreihe „einfach INFORMATIK“ also auszeichnet, ist ein durchgehender Spiralansatz, sowohl innerhalb der einzelnen Lehrmittel wie auch übergreifend über die gesamte Lehrmittelreihe, die bald sämtliche Jahrgangsstufen der Volksschule abdecken wird.
Lacher: Wir unterrichten nicht den Umgang mit der IT, bringen kein faktografisches Wissen und berühren die informatischen Themen nicht nur auf der Oberfläche. Wir lassen die Kinder entdecken, entwickeln, konstruktiv bauen und die Produkte ihrer Arbeit auf deren Eigenschaften oder Funktionalitäten hin untersuchen. Dadurch entsteht nachhaltiges Wissen und hohe Motivation. Mit den Lehrmitteln haben wir Projekte mit mehr als 15‘000 Kindern durchgeführt und unser Hauptproblem war und ist, die Kinder in die Pause oder nach Hause zu schicken – so sehr sind sie in ihre Arbeit vertieft und wollen nicht aufhören, bevor sie sie beendet haben! Die Konzentration der Kinder ist dabei unglaublich hoch.
Bülow: Das blockbasierte Programmieren steht für viele in der Primarstufe im Vordergrund. Ihr beginnt jedoch in der 5. Klasse mit dem textbasierten Programmieren. Warum ist das so und welchen Vorteil seht Ihr darin?
Staub: Tatsächlich wird dieser Frage momentan viel Aufmerksamkeit geschenkt. Viel wichtiger als die Frage, ob ein block- oder ein textbasiertes Interface verwendet wird, ist jedoch die Frage, wozu man dies macht. Wir verstehen Programmieren als eine Art der Kommunikation: Programmierern und Programmiererinnen gelingt es, eine Maschine zu steuern, indem sie die Sprache des Computers lernen. Diese Sprache ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Präzision; Maschinen besitzen keine menschliche Intelligenz und können schon durch einfache Tippfehler mächtig durcheinandergebracht werden. Dieser Anspruch an Präzision ist eine grundlegende Charakteristik des Programmierens und spätestens bei der Matura sollten Lernende damit umgehen können und fähig sein, einfache Programme zu schreiben in einer textbasierten Umgebung. Offensichtlich kann man denselben Anspruch nicht an alle Lernenden stellen: Jungprogrammierer, die weder lesen noch schreiben können, geschweige denn mit einer Tastatur umzugehen wissen, wären davon zweifelsfrei überfordert. Am unteren Ende des Spektrums macht also der Einstieg mit einer blockbasierten Umgebung durchaus Sinn. Irgendwo zwischen diesen beiden Endpunkten findet dann folglich der Übergang vom block- zum textbasierten Programmieren statt. Wir haben uns für einen vergleichsweisen frühen Umstieg entschieden, sobald das Tippen auf der Tastatur kein allzu grosses Problem mehr darstellt, und wir haben bisher sehr gute Erfahrungen gemacht mit diesem Ansatz. Nur wenige Kinder haben Probleme damit, die textbasierte Umgebung zu verwenden dank Hilfestellungen wie beispielsweise der eingebauten und automatischen Überprüfung der Rechtschreibung.
Lacher: Man kann blockbasiert oder textbasiert erfolgreich unterrichten. Es kommt mehr darauf an, welche Ziele man im Unterricht verfolgt. Wenn man blockbasiert unterrichtet, können keine syntaktischen (grammatikalischen) Fehler oder Tippfehler entstehen. Ein Programm ist nichts anderes als ein grammatikalisch richtiger Text in einer Programmiersprache. Aus der Sicht des Sprachunterrichts bedeutet blockbasiert unterrichten, farbige Wörter und Sätze umherzuschieben statt Schreiben zu unterrichten. Das System sorgt also für Fehlerfreiheit. Aber was ist, wenn man das Ziel verfolgt, dass die Kinder grammatikalisch korrekt schreiben können und sie hierfür Fehler machen und daraus lernen sollen? Zusätzlich kommt hinzu, dass in den vorhandenen blockbasierten Sprachen die Kinder es nicht schaffen, logische (fortlaufende) Fehler zu finden und zu korrigieren. In unseren Programmierumgebungen unterstützt die Lernplattform die Kinder beim selbstständigen Suchen nach logischen Fehlern. Programme zu korrigieren ist genauso eine wichtige Basiskompetenz wie Programme zu bauen.
Bülow: Didaktisch verfolgt Ihr den Konstruktivismus von Jean Piaget, was Euren Ansatz ausmacht und von anderen Lehrmitteln unterscheidet. Genauer gesagt, Euer didaktisches Motto ist „learning by getting things to work“, was bedeutet das genau?
Lacher: Es bedeutet – und zwar nicht nur beim Programmieren – durch selbstständiges, konstruktives Handeln etwas zu bauen oder zu entwerfen und dann das Produkt eigener Arbeit zu untersuchen, darüber zu reflektieren und mit anderen zu diskutieren. Diese Diskussion hilft einerseits, um Lösungen für Fehler zu finden, ist aber noch viel wichtiger, um neue Motivation für noch bessere Produkte zu erzeugen. So lernen die Kinder ganz natürlich, immer neue und verbesserte Produkte zu erschaffen und sich selbstständig neue Zielsetzungen zu geben. Gleichzeitig erkennen die Kinder, dass man aus Fehlern lernen kann.
Staub: Lernen ist ein iterativer Prozess und das ist natürlich auch beim Programmieren nicht anders. Im Programmierunterricht werden Lösungen zu gegebenen Problemen als Programme beschrieben, die dann direkt auf dem Computer ausgeführt und getestet werden können. Nicht selten enthält allerdings die erste Lösung noch Fehler, die über mehrere Iterationen ausgemerzt werden müssen, bis endlich ein Programm vorliegt, welches den beabsichtigten Effekt zeigt. Das Ziel des Programmierunterrichts besteht nicht darin, die „eine perfekte Lösung“ auf Anhieb finden zu wollen, vielmehr geht es darum, selbst einen von üblicherweise vielen verschiedenen Wegen zum Ziel zu finden. Das erwünschte Resultat wird über mehrere Stufen iterativ erarbeitet. Ganz nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“.
Bülow: Den Kindern wird das eigenverantwortliche, selbstverantwortliche und selbstbestimmte Lernen Schritt für Schritt durch Eure Lehrbücher ermöglicht. Können diese Kompetenzen sich auf andere Fächer auswirken? Gibt es konkrete Beispiele?
Lacher: Am stärksten ist die Verbindung zur Sprache, Mathematik und Technik. Die Technik lernt man zu steuern und mitzuentwickeln. In der grundlegendsten Ebene haben Mathematik und Informatik gleiche Zielsetzungen – Abstrahieren (die Realität vereinfacht in die Sprache von Symbolen abzubilden) zu lernen und die Problemlösefähigkeit zu fördern. Die Schnittstelle zur Sprache ist mehrdimensional. Informatiker und Informatikerinnen sind spezialisiert auf die Entwicklung von Schriften (Geheimschriften, Zahlendarstellungen) und Programmiersprachen zur Beschreibung von Tätigkeiten (die wir automatisieren wollen), das sind alles Sprachen. Unsere Lehrmittel ermöglichen den Kindern die Programmiersprache mitzubauen (neue Wörter einzuführen) und sie beim Programmieren auszuprobieren. Sie erkennen dadurch, dass Sprachen nicht statisch sind, sondern sich einem Bedürfnis anpassen und sich somit entwickeln können. In welchem Sprachunterricht erhalten die Kinder die Chance, eine Sprache zu entwickeln und auszuprobieren?
Staub: Generell bezwecken wir mit unseren Lehrbüchern eine möglichst gute Vernetzung der Informatik mit anderen Schulfächern. Sowohl der Sprach- wie auch der Mathematikunterricht lassen sich wunderbar mit Informatik verbinden: Von Themen wie Kryptografie (das Entwickeln und Knacken von Geheimschriften) bis hin zum Programmieren (die Entwicklung einer eigenen Sprache, um mit dem Computer zu kommunizieren) werden immer wieder Themen behandelt, die einen fächerübergreifenden Charakter haben und somit durchaus einen Mehrwert für andere Fächer darstellen können. Ob und inwiefern diese Verbindungen im Klassenzimmer aktiv ausgelebt werden, hängt jedoch von der Lehrperson ab, die in dieser Hinsicht eine grosseVerantwortung trägt.
Bülow: Kann man davon ausgehen, dass dieser individuelle, selbstbestimmte Lernprozess, an den die Kinder von Euch herangeführt werden, die Lehrperson „entbehrlich“ machen könnte? Ist die Lehrperson dann eher Moderator oder anders ausgedrückt: Welches ist die Rolle der Lehrperson in diesem Prozess?
Lacher: Die Lehrperson steht ganz klar im Zentrum und wird sogar noch wichtiger als bei anderen Lehrmitteln. Die Lehrperson leitet an, steuert die Aktivitäten der Kinder und sorgt für individualisierte Förderung. Weil wir davon ausgehen, dass die Lehrpersonen dieses Fach in ihrer eigenen Ausbildung nicht gehabt haben, geben wir nicht nur didaktische Aspekte, sondern auch das fachliche Wissen in den Begleitbänden mit. Diese Begleitbände sind deshalb auch umfangreicher als die Schülerbände. Sie machen die Lehrpersonen unabhängig und begleiten sie während des ganzen Unterrichts.
Staub: Die Lehrperson ist und bleibt ein wichtiger Teil des schulischen Lernens, wobei jedoch die Rolle der Lehrperson im Programmierunterricht tatsächlich ein wenig anders ist als gewohnt: In vielen Disziplinen kommt der Lehrperson die Rolle zu, die Lösungen der Kinder zu beurteilen und über deren Korrektheit zu entscheiden. Diese Rolle des „Richters“ entfällt beim Programmieren, da Lösungen (in unserem Falle sind das grafische Muster) so einfach zu überprüfen sind, dass jedes Kind seine Lösung selbst kontrollieren kann. Das motiviert das explorative Lernen, denn Fehler haben keine negativen Konsequenzen für die Kinder. Die Frage der Korrektheit weicht den beiden Fragen, weshalb eine gegebene Lösung nicht das tut, was man erwartet, oder wie man ein bereits funktionsfähiges Programm noch verbessern könnte. Wichtig dabei ist, dass immer der Lernprozess im Zentrum steht. Die Kinder arbeiten dabei individuell und im eigenen Tempo, während die Lehrperson die Gelegenheit hat den Lernprozess einzelner Kinder zu beobachten und ihre Sprösslinge individuell zu fördern. Alles in allem kommt der Lehrperson also nach wie vor eine wichtige Rolle zu, denn sie ist verantwortlich den Lernprozess ihrer Klasse zu koordinieren, zu motivieren und individuell zu fördern.
Bülow: Datensicherheit ist ein grosses Thema heute. Was macht Ihr in diesem Bereich?
Staub: Hinsichtlich Datensicherheit in unserer Programmierumgebung verfolgen wir einen vierspurigen Ansatz. Erstens implementieren wir unsere Lernumgebungen selbst und verwalten diese auch eigenhändig. Auf diese Weise kontrollieren wir, dass keine sensitiven Daten in die falschen Hände gelangen. Wir heben uns dadurch klar von anderen Lehrmitteln ab, die üblicherweise die Lernplattformen von Drittanbietern verwenden und somit keine Kontrolle darüber haben, wo, wie und welche Daten abgelegt werden. Bekannte Programmierplattformen wie Scratch oder Blockly werden in den USA entwickelt und verwaltet, wo der Datenschutz im Vergleich zur Schweiz nicht allgemein und umfassend geregelt ist. Zweitens achten wir darauf, dass keine personenbezogenen Daten auf unserem Server gespeichert werden. Das heisst, während Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben Lösungen online zu speichern und später wieder darauf zuzugreifen, sind wir nicht in der Lage, anhand dieser Daten auf die Identität eines Kindes zu schliessen, da Name, E-Mail, Geburtsdatum und Adresse nicht bekannt sind. Drittens bieten wir durch unsere Offline-Umgebung allen Benutzern die Möglichkeit, komplett anonym arbeiten zu können und keinerlei Spuren zu hinterlassen. Der vierte und letzte Punkt: Nachdem die Kinder „einfach INFORMATIK 5/6 – Lösungen finden“ (Kapitel 2) bearbeitet haben, sind sie in der Lage eigene Geheimschriften zu entwickeln und so im Zweifelsfall eigenhändig für den Schutz ihrer Daten zu sorgen.
Lacher: Viel mehr als andere! Wir sensibilisieren die Kinder für das Thema und zeigen den Kindern die möglichen Sicherheitsmassnahmen. Aber wir gehen noch viel weiter: Wir verfolgen die 4000 Jahre alte Geschichte der Datensicherheit und bringen den Kindern altersgerecht wichtige Konzepte des Bauens von Kryptosystemen bei. Somit arbeiten die Kinder kreativ und entwickeln selbst eigene, neue Geheimschriften, die die Welt noch nicht gesehen hat. Die Kinder haben viel Spass daran, sich gegenseitig geheime Nachrichten zu verfassen, oder noch besser, einen Geheimtext zu knacken, zu dem sie keinen Schlüssel erhalten haben. Durch den Ansatz, dass die Kinder der geschichtlichen Entwicklung folgen, können sie verstehen, was machbar ist und was nicht.
Bülow: Glaubt Ihr, dass Ihr mit dem Lehrmittel alle Kinder gleichermassen für die MINT-Fächer begeistert?
Lacher: Wir verfolgen nicht das Ziel, aus allen Kindern Informatikerinnen oder Informatiker zu machen. Aber wir wollen in allen Kindern die Begeisterung für das konstruktive, ingenieurmässige Vorgehen wecken. Dieses Talent sollen die Kinder in sich entdecken. Diese Kinder werden in ihren Berufen – egal welcher Art diese sein werden – feststellen, dass immer mehr automatisiert wird. Keines dieser Kinder wird in seinem Beruf erfolgreich sein können, ohne die Automatisierung zu verstehen. Es ist also wichtig, dass alle Kinder dazu ein Basiswissen erhalten. Zudem zeigen unsere Erfahrungen mit mehr als 15‘000 Kindern in mehr als 550 Schulen, dass das Genderproblem in der Verwendung unseres Lehrmittels nicht existiert.
Staub: Zwei Punkte: (i) Eine der eindrücklichsten Erfahrungen, die ich im Verlauf der letzten Jahre machen durfte, war es, dass Lehrpersonen am Schluss eines Projektes zu mir kamen und mir erzählten, dass sie durch das Programmieren eine andere Sichtweise auf einige Schülerinnen oder Schüler erhielten. Oft sagen sie, es gäbe das eine oder andere Kind, welches normalerweise eher unauffällig oder manchmal vielleicht sogar als schwach eingestuft wird. Manche dieser Kinder blühen durch das Programmieren förmlich auf und legen ungeahnten Eifer, Freude und Konzentration an den Tag. Der Programmierunterricht kann also definitiv dazu beitragen, dass Kinder einen Zugang zu MINT-Fächern finden, den sie vorher nicht hatten. (ii) Auch hinsichtlich Geschlechterrollen kann der Informatikunterricht helfen. Leider leben wir heute noch immer in einer Zeit, wo das Stereotyp eines Informatikers zweifelsfrei ein Mann sein muss. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass Mädchen und Buben gleichermassenmotiviert programmieren und sich keinerlei Leistungsunterschiede auf das Geschlecht eines Kindes zurückführen lassen. Es ist gut, frühzeitig mit dem Informatikunterricht zu beginnen und damit zu sorgen, dass keine Stereotypen aufkommen können. Hoffentlich erziehen wir damit eine neue Generation, in welcher sowohl Mädchen wie auch Buben ohne Zögern einen Weg in die Naturwissenschaften, Mathematik oder auch in die Informatik einschlagen können, ohne sich von alten Stereotypen verunsichern zu lassen.
Vielen Dank und nochmals herzlichen Glückwunsch und weiterhin viel Erfolg!
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Regula Lacher hat zuerst eine Lehre als Physiklaborantin gemacht, danach Geografie studiert und kennt somit das duale Schweizer Bildungssystem aus eigener Erfahrung. Ihr Interesse für Bildung und Technologie führte sie zur Vermittlung von Informatikkonzepten.
Jacqueline Staub ist Doktorandin am Lehrstuhl für Informationstechnologie und Ausbildung an der ETH Zürich und an der PH Graubünden tätig als wissenschaftliche Mitarbeiterin sowie als Informatik-Dozentin. Sie hat das Lehrdiplom für Maturitätsschulen in Informatik an der ETH Zürich erworben. Seit 2011 ist sie als Unterrichtsleiterin und Assistentin beim Projekt PrimaLogo tätig, wofür sie im Rahmen ihrer Informatik-Masterarbeit an der ETH Zürich die Browser-basierte Logo-Programmierumgebung XLogoOnline entwickelte. Diese Umgebung wird seit 2016 schweizweit verwendet und ist auf den Programmierunterricht an Primarschulen ausgerichtet.